EIN HIMMLISCHES RENDEZVOUS AN UNSERER SCHULE
IN DER NACHT VOM 19. bis 20. MÄRZ 1996

Hyakutake

Die Medien berichteten sehr viel von ihm. Er soll uns verdammt nahe kommen. Manche Pessimisten schlossen selbst einen Volltreffer nicht aus (vergleiche Nestroys LUMPAZI VAGABUNDUS). Doch 15 Millionen Kilometer Erdabstand ist wirklich unbedenklich, jedoch trotzdem ein Erlebnis. Besonders wenn man auch an den letzten HALLEY-Flopp denkt!

Doch jetzt heraus mit der Sprache: Es handelt sich natürlich um den von einem japanischen Amateur(!) entdeckten Kometen HYAKUTAKE. Natürlich wollte ich ihn auch sehen. Auch interessierte mich die Frage, ob man ihn von unserer Schule aus erkennen könnte. Bei unserem Standort mitten ihn Wien am Gürtel mit Straßenbeleuchtung und ständigen Autoscheinwerfern haben wir ja wirklich nicht die Lichtbedingungen à la Rosseggers Waldheimat im Alpl!

So begann ich meine Expedition in der Nacht vom 19. auf den 20.3. im letzten Stock unserer Schule beim letzten Fenster vor der Dachbodenstiege. Ich war bestens ausgerüstet: ein kleiner Newton Reflektor 110/500mm, ein Fernglas 8x50, eine Spiegelreflexkamera mit Stativ, Kometenunterlagen, einer Sternkarte, Handschuhe,Mütze und einer Thermosflasche mit heißem Tee.

Doch hier oben war es sehr unwirtlich. Ich suchte den Kometen im Osten und Südosten in verschiedenen Höhen bis mir eisig kalt geworden war. Kein Erfolg - wie sich später herausstellte aufgrund einer Fehlinterpretation meiner Unterlagen.

Nun wanderte ich einen Stock tiefer und suchte mit dem Fernglas von verschiedenen Fenstern aus den Himmel ab. Vom zweiten Fenster am westlichen Ende des Nordtrakts erblickte ich ihn endlich -und das sogar mit freiem Auge! Ein kleines Fleckchen, nicht so punktförmig wie ein Stern. Ich schätzte ihn anhand seiner Umgebungssterne auf die Helligkeit 3,4 mag. Es war ein Erlebnis! Ich fotografierte ihn sogleich mit einem 2,5/105mm Objektiv.

Um der Straßenbeleuchtung zu entgehen, fuhr ich anschließend noch die Laxenburgerstraße stadtauswärts. Bei der ersten Möglichkeit außerhalb Wiens bewunderte ich HYAKUTAKE in all seiner Pracht: der Nebelfleck war durch den dunkleren Himmel weit imposanter. Deutlich war ein nach Westen zeigender Schweifansatz zu sehen. Dadurch bekam der Komet eine unglaubliche Dynamik! Es machte den Eindruck, als ob er sich langsam nach Osten bewegen würde. Aufgrund seiner magisch-dynamischen Wirkung war dieser Komet für mich das ergreifendste Himmelsobjekt seit Jahren!

Am Dienstag, den 26. 3. war eine Kometenbeobachtung im Rahmen der physikalischen Übungen mit Frau Prof. Ruth Leitner geplant, die leider aufgrund schlechten Wetters nicht durchgeführt werden konnte.

Am Donnerstag, den 28. 3. konnte ich den Kometen einer Schülergruppe der 7. Klassen, die ich zufällig am Südtirolerplatz traf, zeigen. Trotz der hellen Straßenbeleuchtung beobachteten sie HYAKUTAKE mit freiem Auge und mit meinem Fernglas. Sie waren sehr interessiert und dankbar für dieses kleine Himmelsspektakel.

Die Lehrerchorprobe am selben Abend klang natürlich auch mit einer Kometenbeobachtung aus.

Insgesamt beobachtete und fotografierte ich HYAKUTAKE zehn mal. Teils von Wien aus, teils von meiner Sternwarte am Rande des Tullnerfeldes. Am 7. 4. verabschiedete sich der Komet von mir sehr tief im Nordwesten mit einem fantastischen 5 Grad langem Schweif. Anschließend unterbrach eine Schlechtwetterperiode meine Beobachtungen. Ich verfolgte HYAKUTAKES Reise durch die Sternbilder Jungfrau, Bärenhüter, Großer Wagen, Kleiner Wagen und Perseus.

Das faszinierende bei diesen Boten aus den fernsten Winkeln unseres Sonnensystems ist für mich die Tatsache, daß man ein riesiges Phänomen beobachtet, das fast ein Vakuum ist! Einerseits werden Kometen bei Sonnennähe die größten „Himmelskörper“ unseres Sonnensystems, andererseits haben sie jedoch nur einen zwergenhaften Kern von ein paar Kilometern Durchmesser. Sein Material, das bei Sonnennähe verdampft, wird zum Leuchten angeregt und dehnt sich um und hinter dem Kometen gewaltig aus. So können diese „Schweifsterne“ zu Himmelserscheinungen ersten Ranges werden, die bei den Menschen seit jeher starke Emotionen ausgelöst haben.

Richard Labschütz